Mehr als nur Ehrenabfahrt

Die National Brotherhood of Skiers will schwarze Alpinsportler zu Olympia bringen


Es ist 22 Jahre her, dass das jamaikanische Viererbob-Team bei den Olympischen Winterspielen in Calgary zu einer Art Mythos wurde und die Sportler aus der Karibik wie Volkshelden gefeiert wurden – wobei vor allem deren Hautfarbe eine besondere Rolle spielte. Schwarze Athleten in der Weltspitze des Wintersports: Das schien – in Umkehrung ihrer optischen Dominanz bei den Sommerspielen – eine geradezu exotische Angelegenheit zu sein. Schließlich lassen sich schwarze Medaillen-Gewinner bei Winterolympia immer noch an zwei Händen aufzählen: Zum Beispiel Vonetta Flowers aus den USA, die Zweierbob-Siegerin von 2002, der deutsche Bobfahrer Richard Adjei, der in Vancouver Silber im Zweier gewann, oder der amerikanische Eisschnellläufer Shani Davis, schnellster Mann über 1000 Meter und 2006 in Turin der erste schwarze Athlet, der sich eine individuelle Gold-Medaille erkämpfte.

Wenn allerdings im Bob-Kanal und Eis-Stadion gelegentlich dunkelhäutige Gesichter auftauchen, dann bleibt der Skihang immer noch eine Domäne weißer Sportler. Schwarze Ski-Olympioniken? Neben Exoten wie dem Ghanaer Kwame Nkrumah-Acheampong, der als „Schneeleopard” mit der letzten Startnummer eine reine Ehrenabfahrt absolvierte, war da eigentlich nur ein ernstzunehmender Kandidat: Errol Kerr, ein schwarzer New Yorker, der im Skicross für Jamaika antrat und immerhin den neunten Platz errang.

1000 Athleten in Colorado

Diese magere Bilanz zu verbessern hat sich die National Brotherhood of Skiers (NBS) vorgenommen: „Es ist wichtig für schwarze Jugendliche, dass sie sich anderer sportlicher Möglichkeiten als nur Basketball, Baseball und Football bewusst werden”, sagt Haymon T. Jahi, der Präsident des 20 000 afroamerikanische Skifahrer vertretenden Verbandes, „wir wollen ihnen den Weg auf die Skipisten ebnen.” Für die Olympischen Winterspiele 2014 hat sich die NBS ein ehrgeiziges Ziel gesteckt: Erstmals Athleten aus den eigenen Reihen ins Rennen zu schicken.

Unter diesem Stern steht auch der Black Ski Summit: In dieser Woche versammelten sich wieder rund tausend NBS-Mitglieder auf den Pisten von Winter Land/Colorado zu ihrem jährlichen Treffen. Der Massenauflauf schwarzer Skifahrer soll einerseits ein sichtbares Zeichen setzen und andererseits helfen, über die Teilnahmegebühren Nachwuchsprogramme zu finanzieren. Wie aber lassen sich schwarze Jugendliche aus einkommensschwächeren Schichten erreichen? Die NBS hat dazu Förderprogramme in verschiedenen Skigebieten eingerichtet: Wer sich für mindestens 20 Stunden Skikurs anmeldet, bekommt den Unterricht bezahlt. Später sollen die Jugendlichen an verbandsinternen Wettkampf-Programmen teilnehmen. Auch diese Ausbildung ist kostenlos. Als einzige Gegenleistung verlangt die National Brotherhood of Skiers eine Selbstverpflichtung zu einer Mindestzahl an Trainingsstunden.

Die besten schwarzen Nachwuchs-Skifahrer aber werden für den „Olympic Scholarship Fund” ausgewählt. Er soll Afroamerikanern unter anderem den Besuch renommierter Ski-Eliteschulen ermöglichen und ihnen Zuschüsse zur Ausrüstung sowie die Reisekosten zu den jährlich zwei Dutzend nationalen und internationalen Wettkämpfen gewähren.

Alarmierte Nationalgarde

„Die Mission der NBS” heißt es im Web-Auftritt des Verbandes, „ist es, schwarze Athleten ausfindig zu machen und zu fördern, die als Repräsentanten der Vereinigten Staaten olympische und internationale Wintersport-Wettbewerbe gewinnen werden.” Das komme auch dem ganzen amerikanischen Team zu Gute. Momentan haben elf Nachwuchssportler aus den Reihen der NBS den Sprung in die nationale Ski-Elite geschafft. Verbandspräsident Jahi weist dabei gerne auf die Vorbildfunktion solcher Top-Athleten hin und glaubt, dass deren Erfolge „auf die afroamerikanische Community zurückstrahlen”. Nicht immer waren die Ziele des NBS so hochgesteckt: Als Art Clay und Ben Finley 1973 den ersten Black Ski Summit in Aspen/Colorado veranstalteten, ging es ihnen in erster Linie um zwanglose Geselligkeit unter ihresgleichen. „Als schwarzer Skifahrer war man Anfang der siebziger Jahre noch eine vollkommene Randerscheinung”, sagt Clay. So wurde die National Brotherhood of Skiers 1975 als Dachverband von damals 13 lokalen afroamerikanischen Ski-Vereinen mit 350 Mitgliedern ins Leben gerufen. Eines ihrer Motive war auch der Schutz vor Rassismus auf der Skipiste.

Ein durchaus realistisches Anliegen, alarmierte doch bei einem der ersten Treffen der NBS in Heavenly Valley/Kalifornien die vom Auflauf schwarzer Skifahrer offensichtlich beunruhigte Resort-Leitung die Nationalgarde. Eine Begebenheit, über die NBS-Präsident Jahi inzwischen lachen kann. Jetzt gehe es viel mehr darum, die Diskriminierung in den Köpfen schwarzer Jugendlicher zu bekämpfen. Jahi sagt: „Sie müssen lernen, Skisport nicht als Privileg der Weißen und Reichen zu betrachten.”

JONATHAN FISCHER